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6. April 2010 | Was bewegt | 

Emmaus 2010


Emmaus 2010

Pfr.i.R. Oskar Bühler. Das Evangelium vom Gang der beiden Jünger nach Emmaus (Lk 24, 13-35) ist einer der beeindruckendsten Berichte über das Ostergeschehen. Der Weg, das Gespräch mit dem noch unerkannten auferstandenen Herrn, die Erfahrung seiner Nähe und Anwesenheit, seine aufmunternden und wegweisenden Worte - diese Elemente sind im Rahmen von Glaubensschulungen Vorbild geworden für „Emmaus-Wege", bei denen jeweils zwei Teilnehmer sich auf den Weg machen und im Gespräch versuchen, die Wege zu erkennen, die der Herr sie führen will.

Emmaus 2010Hätten wir die Möglichkeit, einen solchen „Emmaus-Weg" mit Pater Kentenich, unserem Gründer, zu machen, was würden wir ihm sagen, was würde er uns sagen?

Fände dieser Emmaus-Weg in diesen Wochen statt, wir würden ihm die Not klagen, die unsere Kirche zur Zeit durchleidet: die Enttäuschung vieler an der Schuld, die sich in der Kirche angesammelt hat; die tiefen Verletzungen, die den Opfern des sexuellen Missbrauchs oft das Leben zerstört haben; die Enttäuschung darüber, dass diese Schuld in ihrer Tragweite bislang nicht oder zu wenig erkannt und ernst genommen wurde; die Tatsache, dass das äußere Ansehen der Kirche wichtiger wog als echtes Mitleid und Hilfe für die tief verletzten Opfer.

Was würde Pater Kentenich darauf sagen? Könnte er - in Anlehnung an das Wort des Auferstandenen - seine Antwort beginnen mit: „Muss die Kirche nicht dies alles erleiden, damit . . . „, um dann etwas zu Sinn und Ziel dieser leidvollen Situation, zu den Plänen Gottes, die aus diesen Zusammenbrüchen herausführen, zu sagen?

Wir, die Kirche, erklären öffentlich: wir haben gesündigt

Ein Blick in sein reichhaltiges geistiges und geistliches Erbe lässt Aussagen erkennen, auf die er wohl hinweisen würde. So könnte er hinweisen auf die kurze Bemerkung in der Predigt vom 11. Oktober 1964 in Milwaukee:

„Was will die Kirche? Wie fasst sie sich auf? Wie eine sündige Kirche. Wir hören das ja - mag uns manches Mal komisch anmuten -, wie der Papst erklärt: Wir - die Kirche, die katholische Kirche, die bisher immer dastand, als könnte sie keine Fehler begehen - erklären öffentlich: Wir haben mit gesündigt, wir sind mit schuld an den Differenzen zwischen uns und den andern kirchlichen Bekenntnissen."

Das Thema „Sündige Kirche" hat Pater Kentenich in den letzten Jahren seines Lebens beschäftigt, auch aus eigener Erfahrung. Vor Priestern, die in der Schönstatt-Bewegung Verantwortung trugen, sagte er am 10. Februar 1968, also in seinem letzten Lebensjahr:

„Eine demütige Kirche, die sich selber als schuldig bekennt und den Mut hat, um Verzeihung zu bitten. Eine ganz andere Kirche also, als man sie vorher kennen gelernt hat."

Er fügte gleich hinzu, wie er die Kirche kennen gelernt hat:

„Ich erinnere mich gut, wie eine von den Unseren, eine von unseren Schwestern bei dem Privatsekretär von [Kardinal] Ottaviani einmal geltend machte, es hätte die Kirche mir doch schrecklich Unrecht getan, wäre doch endlich am Platze, dass das wieder gutgemacht würde. Antwort: Das tut die Kirche nicht! Was tut die? Die tut nachher, als wenn nichts gewesen wäre."

Ehrlich bleiben

Sein eigenes Schicksal - 14 Jahre Verbannung durch die Kirche - hat ihm viel Anlass und Gelegenheit gegeben, sich mit dieser Praxis der Kirche auseinander zu setzen. Es war ihm schon lange klar geworden, dass die Kirche einer tiefgreifenden Erneuerung bedarf - auch in dieser Praxis. In den Dienst der Erneuerung der Kirche wollte er von Anfang an seine Bewegung stellen. Die Entwicklung auf dem II. Vatikanischen Konzil war ihm ein deutliches Zeichen, dass sich die Kirche selber auf den Weg der Erneuerung begeben will, dass also die Wege (von Schönstatt und der Kirche) sich treffen. In seine Überlegungen und Pläne zur Erneuerung der Kirche gehörten auch folgende Gedanken, die er ebenfalls in dem Vortrag vom 10. Februar 1968 ausführte:

„Nun ein Wort über die Sündigkeit der Kirche, nicht wahr, Sündigkeit in dem Grade oder in der Art, wie ich das eben dargestellt habe. Wie darf ich das dann darstellen, wie darf ich das dann auffassen? Ich meine, es wäre nicht gewagt zu sagen: Dadurch, dass man praktisch Jahrhunderte lang die Kirche in bekanntem Sinne als unsündig aufgefasst, hätte man der Kirche mehr geschadet, als man es heute tut, wenn man die Sündhaftigkeit der Kirche übertreibt.

Müssen Sie überlegen, ob das stimmt. Eine Reform der Kirche ist natürlich unmöglich, wenn die Kirche sich selber als unsündlich, als unfehlbar ? so in dem Sinne, wie ich das eben dargestellt habe ? hält.

Darum, wir haben ja ansonsten schon des Öfteren gesprochen von den Runzeln der Kirche, auch im ersten Exerzitienkurs dargestellt, wie es Historiker gibt, die vielfach nichts anderes kennen, wenn sie die Kirchengeschichte dozieren, als die Runzeln der Braut Christi. Gegensatz! Gerade weil an sich auf der anderen Seite alles glorifiziert wird, deswegen auf dieser Seite auch auf der ganzen Linie, nur die Runzeln und Schwächen. Wir müssen nach der Richtung ehrlich bleiben, auch ehrlich uns selber gegenüber bleiben. Nun hat ja die Kirche im Papst Sühne geleistet [gemeint ist das Schuldbekenntnis Pauls VI. im Hinblick auf die Reformation]. Was wir uns aber im besagten Zusammenhange einprägen sollten und müssten, das ist halt der Gedanke: Die Reformbedürftigkeit der Kirche sollten wir immer im Auge haben und behalten und dann überlegen: Wie können wir die Hindernisse entfernen, damit der Heilige Geist überall das Ruder in die Hand nimmt? Was können wir dafür tun, damit das Wort wahr wird: „Bisher hab' ich am Steuer selbst gesessen ... Lass, Vater, endlich ganz die Kehr mich finden!" Sehen Sie, das sind ja alles Ausdrücke, die das wiedergeben, was die Kirche durch das Konzil en masse will und was die nachkonziliare Kirche auch auf der ganzen Linie zu verwirklichen trachten muss."

Eine Kirche, die um Verzeihung bittet

Kehren wir auf den Emmaus-Weg zurück. Ist es abwegig, zu vermuten, dass Pater Kentenich solche und ähnliche Gedanken auf diesem Weg uns mitgeben würde? Er würde wohl auch hinweisen auf die Worte, die er eine Woche später, am 17. Februar 1968 vor Mitbrüdern des Priesterverbandes gesagt hat:

„Wie soll die Kirche aussehen im Gegensatz zu der Kirche von gestern? Eine durch und durch demütige Kirche. Eine sündige Kirche. Das heißt: eine Kirche, die ihre Sündhaftigkeit bekennt; eine Kirche, die auch frei und offen um Entschuldigung und Verzeihung bittet ob all der Sünden, die sie im Laufe der Jahrtausende begangen hat. Sie spüren schon, (das ist) ein anderes Bild. Sie spüren schon: das sind andere Züge. Und welcher Art werden diese anderen Züge nun im Einzelnen sein morgen und übermorgen? Das ist natürlich leicht, schnell ein Bild nachzuzeichnen; nicht so leicht ist es, dieses Bild zu verwirklichen."

Außer auf diese und andere seiner Äußerungen würde Pater Kentenich heute, im Jahr 2010, wohl noch auf ein Ereignis hinweisen, das inzwischen schon zehn Jahre zurück liegt, auf das Schuldbekenntnis von Papst Johannes Paul II. an der Jahrtausendwende. Und er würde wohl den letzten Satz von 1968 wiederholen: „ .... nicht so leicht ist es, dieses Bild zu verwirklichen." Eine realistische und zugleich traurige Erfahrung, die wir seitdem gemacht haben.

Muss die Kirche nicht dies alles erleiden, damit sie (endlich) eine Kirche wird, „die ihre Sündhaftigkeit bekennt; eine Kirche, die auch frei und offen um Entschuldigung und Verzeihung bittet ob all der Sünden. . . . nicht so leicht ist es, dieses Bild zu verwirklichen."

Diesen Appell wird uns Pater Kentenich wohl auf diesem Emmaus-Weg zurufen. Aber in einen Appell allein endet ein Emmaus-Weg nicht. Er endet hoffnungsvoll-österlich. Und zwar mit dem Hinweis auf die Gnadenquelle, die uns dafür gegeben ist. Mit dem Matri-Ecclesiae-Heiligtum auf Belmonte in Rom hat Pater Kentenich die Sendung Schönstatts für die Kirche des II. Vatikanums verknüpft, auch im Hinblick auf eine Kirche, „die ihre Sündhaftigkeit bekennt." Dass es diese Gnadenquelle gibt, das lässt uns auch in der augenblicklichen Betrübnis „hoffnungsfreudig und zuversichtlich" in die Zukunft schauen und gehen. Auch unter diesem Aspekt und mit dieser Zielsetzung setzt sich die internationale Schönstattfamilie für unser aller Heiligtum auf Belmonte ein.


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